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Reiß dich zusammen!

Mutter schimpft mit Kind

 

Dir geht die Geduld mit deinem Kleinkind aus? Du hast das Gefühl, als Elternteil zu versagen? Du möchtest so gerne ein gleichwürdiges Miteinander, aber häufiger, als dir lieb ist, kommen dir recht ungleichwürdige Sätze über die Lippen?


Und dann faucht eine genervte Stimme in dir selbst dich an: "Das muss doch möglich sein - jetzt reiß dich zusammen!"


"... und kleb dich auseinander.", wäre ein kaum weniger hilfreicher Ratschlag.

 

Warum "sich zusammenreißen" uns nicht weiterbringt.


Wenn wir uns ehrlich aufmachen in ein beziehungsvolles Miteinander mit unseren Kindern, betreten wir immer noch gewissermaßen Neuland. Diese Pfade sind nicht seit Generationen ausgetrampelt. Es ist eher hier und da das Gras ein bisschen niedergedrückt und wenn es frisch geregnet hat, ist der Weg gar nicht mehr so klar zu erkennen.


Lassen wir uns ehrlich auf unsere Kinder ein, sind wir gefordert, täglich stimmige Lösungen für mindestens zwei Menschen zu finden, die eine bestimmte Tagesform haben und sich in Wachstum und Wandel befinden. Dazu kommen Anforderungen und Zwänge von außen.


Der Weg zum Kindergarten ist nicht gleich der Weg zum Kindergarten - das bedeutet ausgeschlafen sein oder nicht ausgeschlafen sein, ein gewisser Zeitdruck, das bedeutet die Anspannung eines Übergangs, das kann im Kind Abenteuerlust oder Sehnsucht nach Nestwärme wecken, das bedeutet, dass der Schnee lockt oder die vielen Kleidungsschichten, die noch anzuziehen sind zum unüberbrückbaren Hindernis mutieren.

 

 

Fühlen wir uns sehr unter Druck, greift unsere Psyche auf Altbewährtes zurück. Dieses Prinzip macht auch vorm Umgang mit unseren Kindern nicht halt, denn im Ursprung ist Erziehung "Bauchsache": wir haben ERLEBT, wie unsere Eltern und andere Erwachsene mit uns als Kindern umgegangen sind, und aus diesem Erleben kommen zuerst unsere Impulse, wie wir heute mit Kindern umgehen wollen (oder partout nicht wollen). Wie das Neue, das Andere geht, das liegt eher in unseren Köpfen parat, nicht im Bauch; sprich: umständlich weit entfernt.
Also passiert es, dass die kindliche Verweigerung einer Mütze Stressreaktionen im Erwachsenen auslöst.


Und für solche Stressreaktionen schämen wir Eltern uns meistens hinterher. Wir wollten gute Eltern sein, jetzt haben wir das Kind angeblafft, vielleicht in den Schneeanzug gezerrt, geschimpft, gedroht, etc.


Es scheint, als sei das Mindeste, was wir jetzt innerlich tun könnten, uns für dieses Verhalten zu schämen. Es auf keinen Fall zu rechtfertigen! Nur so kann sich doch etwas ändern! - Oder?

 

Ich möchte dich heute einladen, einen anderen Weg zu gehen.


Erinnere dich, wann du zuletzt dein Kind so behandelt hast, dass es dir hinterher leidgetan hat (da fällt uns allen bestimmt etwas ein - denn das Gefühl "alle Anderen kriegen das doch hin" ist trügerisch), dann setz dich einmal in Ruhe hin (vielleicht auch mit einer vertrauten Person) und frage dich genau das:
Was waren meine guten Gründe so zu handeln?


Vielleicht irritiert dich diese Frage: gute Gründe - es gibt doch keinen guten Grund, ein Kind so zu behandeln? Vertrau mir, die gibt es.


Was kommt dir? Du bist angespannt? Hast Stress in der Arbeit? Schlecht geschlafen? Beziehungsprobleme? Einsamkeit? Andere Belastungen? Es ist einfach zu lange schon alles zu viel?


Was dir auch kommt, nimm dir Zeit und beschreibe (oder falls du allein bist, schreibe auf), welche Gefühle dazu aufkommen: fühle die Anspannung, die Unsicherheit, die Traurigkeit, vielleicht die Wut ... was gibt es zu fühlen? Nimm dir Zeit.


Versuche, auf dich zu schauen, wie du auf einen guten Freund oder eine gute Freundin schauen würdest... ist es gerade viel?

 

 
Falls Verurteilungen in dir aufsteigen oder etwas in dir deinen Stress "kleinreden" will, lass es nicht zu. Versuche in maximales, ehrliches Mitgefühl mit dir zu gehen. 
Fall etwas dich hindern will, betrachte es neugierig: "Ah, da kommt der Gedanke, das hab ich nicht verdient. So schwer hab ich es doch gar nicht, XY hat es doch auch geschafft...". Aha, das denk ich also, aber wie fühlt es sich eigentlich an?


Sei dir ganz sicher, dass es richtig ist, dich mit Liebe und Verständnis zu betrachten, alle deine Gefühle, die du hattest und hast. Jedes Gefühl ist richtig. Oft befürchten wir, unser "Fehlverhalten" und "Versagen" aus einer liebevollen Perspektive zu betrachten, öffnet Tür und Tor für mehr davon - und wir wollen das ja gerade nicht!


Doch das Gegenteil ist der Fall.


Wenn es dir gelingt, allein oder mithilfe einer vertrauten Person, das zu fühlen: Selbstempathie, Mitgefühl mit uns selbst, dann hast du die Weichen gestellt für mehr Mitgefühl mit deinem Kind. Nur durch Mitgefühl mit uns selbst, also In-Berührung-Kommen mit uns selbst, bauen wir die Mauern ab, die uns von Zeit zu Zeit von unseren geliebten Menschen trennen. 
Jesper Juul hat uns Familienberatenden den Satz mitgegeben: "Wenn ihr den Kindern helfen wollt, müsst ihr die Eltern ins Herz schließen." Wollen wir unseren Kindern helfen, müssen wir uns selbst ins Herz schließen.


Dir wieder näher kommen, lässt dich wieder entspannter bei deinen Kindern sein. Mit der Zeit. Und manchmal ganz plötzlich.


Viel Glück - und Liebe! - auf der Reise!

 

 



Franziska Westen

Über die Autorin

Hallo, ich bin Franziska. Ich berate im Team von online-familienberater.de

 

Ich bin 1987 geboren, verheiratet und Mutter zweier kleiner Kinder, an denen wir jeden Tag wachsen dürfen.

 


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