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Kinder loben - aber richtig!

Unser Interview mit Martin Bucher

 

 

Lachendes Kleinkind

 

Dieses Interview führten wir mit Martin, einem unserer Familienberater und Initiator von online-familienberater.de zum Thema "Loben".

 

 

Hallo Martin. Wieso ist das Thema Loben für Eltern so wichtig?

 

Ehrlich gemeintes Lob tut gut, keine Frage! Kinder sehnen sich nach Anerkennung, sie wollen dazu gehören und wahrgenommen werden - all dies drücken wir auch durch Lobe aus. Die Art, wie wir ein Lob aussprechen, macht etwas mit dem Kind und seinem Selbstwertgefühl.

 

Weil diese Anerkennung für Kinder so wichtig ist, gibt es kaum Erziehungsratgeber, die sich dazu nicht auch äußern - teils mit sehr widersprüchlichen Tipps. Das geht vom regelmäßigen Loben bis zur Erziehung ohne Lob. Es gibt Ratgeber, die empfehlen bei Lob und Tadel ein Verhältnis von „dreimal Loben für einmal Tadeln“. Manche meinen, nur Leistungen seien zu loben, anstatt Eigenschaften des Kindes. Und dann soll man auch noch altersentsprechend loben. Kein Wunder, dass viele Eltern hier verunsichert sind und sich unter Druck gesetzt fühlen, es "richtig" zu machen.

 

 

Wieso ist richtiges Lob denn so wichtig?

 

Kinder sind die geborenen Forscher und Entdecker. Ob sie herausfinden wollen, wie etwas funktioniert, oder das Malen eines Bildes, Basteln, etwas Bauen, Spielen oder was auch immer ist. Sie können in Tätigkeiten völlig eintauchen, sind dann im "Flow".

 

Oft empfinden wir als Eltern eine große Freude, unsere Kinder so eingesaugt in ihre Tätigkeit zu sehen und wie sie mit Beharrlichkeit und Begeisterung sich üben. Aber wenn das Kind dann stolz zu Mama oder Papa aufblickt und mit einem "Schau mal…!" sein Werk zeigt, bekommen wir oft nur ein relativ pauschales "Toll! Das hast du gut gemacht!" über die Lippen. Ein solches pauschales und manchmal floskelhaftes Lob unterstützt das Kind nicht dabei, ein gutes Selbstgefühl zu entwickeln.

 

Wenn Eltern ihre Kinder unterstützen wollen, dass sie innerlich gefestigt und selbstbewusst ins Leben gehen, dann können sie das mit einer bewussten, ehrlichen und vom Herzen her kommenden Art des Lobes tun. Diese Art des Lobes ist allerdings für die meisten Eltern ungewohnt.

 

 

Manche lehnen Loben grundsätzlich ab, weil sie sagen, es wäre manipulativ!

 

Das stimmt. Oft wird das Lob manipulativ eingesetzt, um das Kind dazu zu bringen, ein von den Eltern erwünschtes Verhalten zu zeigen oder zu verstärken. Das ist vielen Eltern nicht bewusst. Hinter dieser Art von Lob steckt oft eine unbewusste Aufforderung an die Kinder, ein bestimmtes Verhalten bitte schön immer wieder zu zeigen. Wie zum Beispiel die Aussage "Super, wie du mir heute beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine geholfen hast". Das könnten bedeuten, dass die Eltern diesen Einsatz ab jetzt häufiger erwarten.

 

Nicht selten verlieren viele Kinder daraufhin die Lust, dem zu folgen und stellen ihr vorher innen-motiviertes Verhalten ein. Wenn ich als Elternteil dann darüber sauer bin, dann kann ich mir hundertprozentig sicher sein, dass mein Lob manipulativ war. 

 

Für mich ist deshalb die innere Haltung wichtiger als die eigentlichen Worte. Dass ich in mir wirkliche Freude über und mit meinem Kind spüre. Kinder merken das sofort - durch unsere Körpersprache, den Blick unserer Augen und unseren ganzen energetischen Ausdruck. Wenn ich aus diesem Gefühl heraus zu dem Kind spreche, wird mein Lob echt und authentisch, nie manipulativ. 

 

 

Ist es denn so kritisch, wenn ich mal „herkömmliche Lobe“ ausspreche?

 

Natürlich ist es nicht schlimm und richtet nicht keinen Schaden an, wenn mir ein herkömmliches Lob über die Lippen rutscht.  Da sollten sich Eltern keinen Druck machen und keine Schuldgefühle einreden lassen. Aber die Menge macht’s und es hilft, sich bewusst zu machen, was ein „herkömmliches Lob“ beim Kind bewirken kann.

 

Dazu gehört zum Einen, dass es die Motivation des Kindes von innen nach außen - oder in Fachsprache: die intrinsische Motivation wird zu einer extrinsischen. Dann braucht das Kind immer wieder Fremdbestätigung von Eltern oder anderen Bezugspersonen, anstatt ein gutes Gefühl für seinen eigenen Selbstwert zu entwickeln. 

 

Zum Anderen richtet das herkömmliche Lob den Fokus vom Kind weg auf das Ergebnis seiner Bemühungen. Die Botschaft ist: „Leistung ist wichtig“. Hier liegt auch eine der vielen Wurzeln unserer Leistungsgesellschaft. Damit fühlten sich Kinder nicht mehr gesehen. Und auf keinem Fall sollten wir vergleichendes Lob einsetzen.

 

 

Was genau meinst du mit vergleichendem Lob?

 

Wenn ich sage: „Wow, dass du im Haushalt viel besser mithilfst als dein großer Bruder!“. Diese Art von vergleichendem Lob fördert nur den Wettbewerb zwischen zwei Kindern. Das eine wird zukünftig weiter versuchen, den Bruder zu übertrumpfen – schließlich wird es mit Anerkennung belohnt. Und das andere fühlt sich vom Ehrgeiz des Jüngeren unter Druck gesetzt.

 

 

 

Und wie loben wir Kinder nun richtig?

 

Das ist gar nicht so schwer, für viele aber ungewohnt und erfordert etwas Übung. Ein ehrliches und von Herzen kommendes Lob besteht aus den Grundbausteinen einer beziehungsorientierten Erziehung. Dazu gehören Ich-Botschaften, Authentizität, Empathie und sich als Eltern selbst zu spüren. Aber um hier den Druck heraus zu nehmen: wenn ich im herkömmlichen Stil lobe, also beispielsweise ohne Ich-Botschaft, es aber wirklich ehrlich meine und meine Anerkennung vom Herzen her kommt, dann ist das schon gut. Die Kinder spüren das. Aber - es geht eben noch eine deutliche Spur besser. 

 

 

Kannst du das näher erklären - was beispielsweise Ich-Botschaften mit dem Lob zu tun hat?

 

Na klar! Also ein herkömmliches Lob wäre etwas wie: „Das ist ja schön!“ oder „Das hast du toll gemacht!“. In Ich-Botschaften wird daraus ein: „Ich finde das schön!“ oder „Mit gefällt, was du da gemacht hast!“. Dadurch verlassen wir die bisherige absolut bestimmende Position von Richtig und Falsch oder Gut und Böse und gehen mit der Ich-Botschaft in eine relative Position, die Raum für andere Meinungen lässt. Dann kann das Kind seine eigene Meinung spüren, es darf auch eine abweichende Meinung haben ohne dadurch "falsch" zu sein, so wie es bei dem bisherigen Art von Loben der Fall wäre. Und es kann sein, dass Mama eine andere Meinung dazu hat als Papa und das ist dann auch gut so.

 

 

Ok, Ich-Botschaften hören sich einfach an. Was brauchst es noch für ein gutes Lob?

 

Manche Ratgeber meinen, es sei wichtig, nur die Leistung und nicht die persönlichen Eigenschaften des Kindes zu loben mit dem Hintergrund, dass Leistung durch Anstrengung veränderbar sei, persönliche Eigenschaften aber nicht. Ich halte diesen Rat für einen völligen Irrsinn. Wir sehen nur das Ergebnis und übersehen dabei das Kind - das finde ich echt traurig. 

 

Für mich gehört beides dazu, dass wir das Kind und dessen Leistung sehen. Wenn ein kleines Kind ein Kritzelbild malt - finden wir es wirklich schön? Meistens nicht. Aber wir sehen, wie stolz das Kind auf sein Kunstwerk ist, wir konnten seine Konzentration beim Malen bewundern, wie es versucht hat, den Stift zu halten. Wir können seine Begeisterung sehen, wie seine Handbewegungen Striche auf dem Papier hinterlassen, wir können seine Freude mitempfinden, wie es selbst etwas gestalten kann. Dies alles wird durch ein „Das hast du schön gemacht!“ nicht gewürdigt. Wenn wir aber unsere echte Mit-Freude dem Kind mitteilen, dann helfen wir ihm, sich selbst besser zu spüren und ein gutes Selbstwertgefühl zu entwickeln. 

 

Wenn das Kind kommt und sagt: "Mama, Papa, schaut mal!", dann könnten wir sagen: "Mir hat es Freude gemacht zu sehen, mit welcher Begeisterung du gemalt hast! Bist du stolz auf dein Bild?". Dann sind wir echt, wir helfen dem Kind, sich zu spüren und machen uns auch selbst erfahrbar.

 

Und als allerletzte Zutat ist für mich wichtig, dass wir uns bewusst werden, wie das Kind unser Leben bereichert - und genau das zurück melden. Denn Kinder wollen auch das Leben von Papa und Mama bereichern und wertvoll für sie sein. Und genau das in ein Lob eingebaut, ist wie Labsal für die Kinderseele. "Ich bin so froh, dass du deine Schnürsenkel jetzt alleine zubinden kannst. Das ist eine große Hilfe für mich."

  

Erziehungsberatung

 

 

Manche Ratgeber meinen, man sollte so viel loben wir möglich. Was meinst du dazu?

 

Klar ist, die Kinder brauchen eine Rückmeldung von uns Eltern. Wenn wir das als Ich-Botschaft, emphatisch und authentisch machen, dann tun wir dem Kind etwas Gutes. Ich finde, das sollen die Eltern so oft machen, wie es sich für sie gut und richtig anfühlt. Alles andere macht nur Druck und ist dann auch nicht mehr echt. Wer mag, kann die Rückmeldung auch in das Zu-Bett-Ritual einbinden - Auch später ausgedrückte Anerkennung behält ihren Wert und ihre Wirkung.

 

 

Es gibt auch Ratgeber, die Erziehung ohne Loben empfehlen. Was ist damit?

 

Diese Erziehungsratgeber empfehlen meistens genau das, was ich hier auch gesagt habe. Sie verwenden dafür allerdings einen anderen Begriff. Beispielsweise "authentische Rückmeldung". Ich finde das allerdings zu sperrig. Und es führt schnell in eine rechthaberische Schiene von "du sollst nicht loben". Deshalb behalte ich den Begriff des Lobes bei, plädiere allerdings für eine neue, beziehungsorientierte Art des Lobens. Das gilt übrigens nicht nur für Kinder, sondern auch das Loben von Mitarbeitenden in Unternehmen! Jeder Mensch will gesehen und wertgeschätzt werden, anstatt nur als Funktion zur Erbringung von Ergebnissen anerkannt zu werden.

 

 

Was würdest du nun Eltern empfehlen, wie sie vom "alten" Lob zum neuen Loben kommen? 

 

Diese Art des Lobens ist für viele Eltern ungewohnt und nicht einfach. Ich würde mit den Ich-Botschaften anfangen. Wenn uns ein Lob der alten Schule über die Lippen huscht können wir einfach ein "finde ich" anhängen. Das klingt zwar komisch, also „Das hast du toll gemacht… finde ich!“, ist aber schon ein Schritt in die richtige Richtung, bis irgendwann einmal ein "Mir gefällt was du gemacht hast!" daraus wird. 

 

Die beiden anderen Elemente, also das Kind empathisch sehen und rückmelden, wie es mein Leben als Mama oder Papa bereichert hat, braucht mehr Bedenkzeit und Übung.

 

 

Danke, Martin, für dein Interview!

 


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Bild: iStock.com/LSOphoto

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Kommentare: 2
  • #1

    Lena Laubfrosch (Mittwoch, 01 März 2023 19:33)

    Das Interview hilft mir auf jeden Fall weiter, danke! Ich glaube der Punkt ist wichtig, dass ein Lob Ausdruck ehrlicher Begeisterung sein sollte. Was darüber hinaus geht finde ich schon wieder widersprüchlich. Wird nicht meine ehrliche Freude künstlich sobald ich jeden Satz genau prüfe und immer meine Formulierung kontrolliere? Muss man nicht außerdem nach Alter des Kindes differenzieren? Die Beispiele, die du bringst, bestehen alle aus Nebensatzkonstruktionen... Ein sehr kleines Kind versteht doch aber solche komplizierten Sätze gar nicht? Als extremes Beispiel: meine Tochter ist 5 Monate alt. Sie kann also noch gar nichts verstehen, dennoch bin ich begeistert wenn sie versucht sich hochzustemmen, umzudrehen und so. Ich strahle sie dann an und rufe "wow!". Ist nicht meine Freude verpufft bis ich "mich beeindruckt, wie hoch du deine Schulter heben kannst." Gesagt habe? Ich frage mich außerdem oft wo eigentlich die Grenze ist zwischen Lob und Kompliment. In der gleichen Situation könnte ich auch sagen "wow, bist du stark!" Das ist ja eher ein Kompliment und sehr generisch. Ich weiß, dass davon oft abgeraten wird. Aber wenn es Ausdruck meiner ehrlichen Freude ist? Ist die Lösung vielleicht, einfach weniger nachzudenken und zu recherchieren? :D

  • #2

    Martin (Mittwoch, 01 März 2023 22:30)

    Hallo Lena - vielen Dank für deinen Kommentar! Die Lösung "Weniger nachdenken und recherchieren, sondern aus dem Herzen heraus einfach machen!" finde ich super!

    Und gleichzeitig hilft es, wenn du dich in Ich-Botschaften ausdrückst. Das hilft auch dem kleinen Krabbelkind, denn es spürt deine Haltung hinter den Worten. Das kann dir anfänglich tatsächlich als "künstlich" vorkommen. Jede Haltungsänderung ist solange gekünstelt, bis sie dir in Fleisch und Blut übergegangen ist. Du wirst merken - wenn du es ein paarmal gemacht hast, dann musst du nicht mehr darüber nachdenken und es wird für dich wieder völlig natürlich.

    Um bei deinem Beispiel zu bleiben: Wenn du die Freude bei deinem Kind mit-spürst und das durch ein "Wow-...!" ausdrückst, spiegelst du damit dem Krabbelkindes seine Freude. Und das ist gut so!

    Liebe Grüße,
    Martin